Pflegefall und zu wenig Pflegeleistung? So umgehen sie die Finanzlücke
Wird man durch ein unvorhergesehenes Ereignis zum plötzlichen Pflegefall, erhalten betroffene Versicherte Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung. Oftmals reichen ihre Leistungen nicht aus, um für eine ganzheitliche Absicherung des Pflegebedürftigen zu sorgen. Im Zuge dessen zeigen wir auf, welche Änderungen sich mit der Pflege-Reform 2017 ergeben. Anschließend präsentieren wir anhand eines Fallbeispiels die Wichtigkeit der privaten Vorsorge. Im Anschluss daran erläutern wir die Fallstricke der Pflegeversicherung auf und geben Empfehlungen zu ihrem Versicherungsabschluss.
Neuregelungen ab 2017
Bereits mit der Einführung der Pflegeversicherung (Pflegeversicherung im Test) war der Begriff der Pflegebedürftigkeit ein kontrovers diskutiertes Thema. Denn ihre Definition war ausschlaggebend dafür, ob ein Versicherter Leistungen aus der Pflegeversicherung erhielt oder nicht. Inwieweit einem Versicherungsnehmer ein gewisser Grad an Pflegebedürftigkeit zugesprochen werden konnte, hing von dem jeweiligen Zeitaufwand für wiederkehrende Alltagsaktivitäten ab. Vor diesem Hintergrund wurden Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz, wie etwa Demenz bei der Einstufung oftmals außer Acht gelassen. Doch diese Regelungen sollen sich mit der Pflegstufen-Reform 2017 grundlegend ändern.
Mit der neuen Reform soll kein Versicherter schlechter gestellt werden als zuvor. Während die Pflegebedürftigkeit bisher in drei Pflegestufen eingeordnet wurde, soll sie künftig nach Pflegegraden gemessen werden:
Pflegegrad | Grundpflege in Minuten | Psychosoziale Unterstützung | Nächtliche Hilfen | Präsenz tagsüber |
1 | 27 bis 60 | 1 mal täglich | nein | nein |
2 | 30 bis 127 | 1 mal täglich | 0 bis 1 mal | nein |
2 mit eingeschränkter Alltagskompetenz | 8 bis 58 | 2 bis 12 mal täglich | nein | unter 6 Stunden |
3 | 131 bis 278 | 7 bis 12 mal täglich | 0 bis 2 mal | unter 6 Stunden |
3 mit eingeschränkter Alltagskompetenz | 8 bis 74 | 6 bis über 12 mal täglich | 0 bis 2 mal | 6 bis 12 Stunden |
4 | 184 bis 300 | 7 bis 12 mal täglich | 2 bis 3 mal | 6 bis 12 Stunden |
4 mit eingeschränkter Alltagskompetenz | 128 bis 150 | 7 bis über 12 mal täglich | 1 bis 6 mal | rund um die Uhr |
5 mit eingeschränkter Alltagskompetenz | 245 bis 279 | bis über 12 mal täglich | 3 mal | rund um die Uhr |
Begutachtungsassessment der Pflegegrade
Anders als bei der bisherigen Einstufung wird nicht der zeitliche Aufwand eine entscheidende Rolle spielen, sondern der Gesamteindruck des Pflegebedürftigen. Bei der Begutachtung des Gesamteindrucks werden insbesondere folgende Kriterien genauestens unter die Lupe genommen:
- Hilfen bei Alltagsverrichtungen: Erfassung des Zeitaufwands und der Unterstützung für die Pflege
- Psychosoziale Unterstützung: Erfassung des Hilfsbedarfs wie Verwirrtheit, Depressionen und Strukturierung des Tages
- Nächtlicher Hilfebedarf: Ebenfalls ein Kriterium, was schon bei den Pflegestufen zählte
- Präsenz am Tag: Prüfen, ob Gefahren erkannt werden und der Pflegebedürftige für bestimmte Zeiten allein gelassen werden kann
- Unterstützung beim Umgang mit krankheitsbedingten Anforderungen: z.B. Medikamentengabe, Wundversorgung, Blutzucker-Messung
- Organisation der Hilfen: Wer leistet Hilfe? Reicht die Unterstützung der Angehörigen oder muss professionelle Unterstützung herangezogen werden
Der Eintritt des Pflegefalls birgt finanzielle Einbußen
Wie einschneidend das plötzliche Dasein als Pflegefall sein kann, zeigt folgendes Fallbeispiel:
Herr Winter ist 74 Jahre alt, ledig und hat keine Kinder. Aufgrund seines fortgeschrittenen Alters (Altersvorsorge im Test) musste Herr Winter die ganztägliche Betreuung in einem Pflegeheim in Anspruch nehmen. Einem Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenkasse (Gesetzliche Krankenversicherung im Test) zufolge, wird ihm die Pflegestufe II zugesprochen. Während seiner gesamten Laufbahn als Angestellter, hat Herr Winter ein durchschnittlich gutes Gehalt eingenommen und 43 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung (Rentenversicherung im Test) eingezahlt. Dadurch steht ihm eine monatliche Rente in Höhe von 1.129,61 Euro zu. Daneben hat er auch vorsorgliche Maßnahmen getroffen und 36.500 Euro zurückgelegt.
Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung
Nimmt Herr Winter nach Eintritt des Pflegefalls seine bis dahin angesparte gesetzliche Rente in Anspruch, kann er monatlich auf eine Zahlung von 1.129,61 Euro vertrauen.
Pflege in einem Pflegeheim
Entscheidet sich Herr Winter hingegen für die vollstationäre Pflege in einer Pflegeeinrichtung, werden ihm für die Unterbringung 2.970,90 Euro pro Monat in Rechnung gestellt:
- Unterkunft und Verpflegung: 26,26 Euro
- Pflege in Stufe II: 57,80 Euro
- Investitionskosten: 14,97 Euro
- Gesamtkosten pro Tag: 99,03 Euro
- Monatliche Kosten: 2.970,90 Euro
Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung
Wird stattdessen die gesetzliche Pflegeversicherung im eintretenden Fall zu Leistung herangezogen, beteiligen sie sich mit 1.279 Euro an den entstehenden Pflegekosten. Somit würde Herr Winter auch mit seinem angesparten Kapital (Kapitalanlage im Test) von 36.500 Euro zum Fall für das Sozialamt werden:
- Monatliche Kosten: – 2.970,90 Euro
- Monatliche Rente: + 1.129,61 Euro
- Pflegeversicherung: + 1.279 Euro
- Differenz: – 562,29 Euro
Leistungen der Pflegeversicherung
Hat Herr Winter mit einer privaten Pflegeversicherung in Form eines Tagesgelds (Tagesgeldkonto im Test) von 30 Euro vorgesorgt, werden ihm von der Versicherung 900 Euro ausgezahlt. Dabei zahlt er die Versicherungsbeiträge von monatlich 4,50 Euro seit seinem 40. Lebensjahr. Aufgrund dieser Tatsache hat er seit 34 Jahren eine stattliche Summe von 1.836 Euro angespart, die er bereits nach zwei Monaten refinanziert hatte:
- Versicherungsleistung: + 900 Euro
- Versorgungslücke: – 562,29 Euro
- Beiträge zur Versicherung: – 4,50 Euro
- Guthaben: + 333, 21 Euro
Dieses Guthaben, wie auch sein angespartes Kapital nutzt Herr Winter zur Sicherung einer optimalen, ärztlichen Versorgung im Alter. Daneben bleibt ihm auch ein kleines Taschengeld (Girokonto im Test) zur freien Verfügung.
Fallstricke der Pflegeversicherung
Beim Vergleich der unterschiedlichen Pflegeversicherungen, sind die Versicherungsbedingungen genauestens unter die Lupe zu nehmen. Denn einige der dargebotenen Versicherungsverträge sehen Wartezeiten vor. Wird der Versicherungsnehmer beispielsweise innerhalb der Wartezeit pflegebedürftig, hat er keinen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung. Einige der Versicherungen schließen Sucht als Auslöser der Pflegebedürftigkeit oftmals aus. Ferner sollten Versicherungsnehmer auch darauf achten, dass keine Beitragszahlung bei Beginn der Pflegezeit gefordert wird. Ansonsten müssen die Versicherungsleistungen anteilig an die Versicherung zurückgezahlt werden. Weiterhin ist die Feststellung der Pflegebedürftigkeit durch den medizinischen Dienst zu dokumentieren und nicht durch den Arzt. So verlockend sie sein mögen, ist von Sparanteilen Abstand zu nehmen. Daher empfiehlt sich der Abschluss einer reinen Risikoversicherung.
Was ist beim Abschluss zu beachten
Versicherungsnehmer sollten beim Abschluss einer privaten Pflegeversicherung beachten, dass es sich einzig um eine Risikoversicherung handelt. Wenn der Pflegefall nicht eintritt, ergibt sich daraus ein Verlustgeschäft für den Versicherungsnehmer. In dem Fall kann der Versicherungsnehmer keine Leistungen oder geldliche Rückforderungen geltend machen. Vor diesem Hintergrund rät die Verbraucherschutzzentrale Sachsen dazu, sich vielmehr mit dem Abschluss existenzsichernde Versicherungen wie Haftpflichtversicherung (Haftpflichtversicherung im Test) oder Berufsunfähigkeitsversicherung (Berufsunfähigkeitsversicherung im Test) auseinanderzusetzen.
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Fazit
Tritt ein Pflegefall ein, können sich Versicherte nicht mehr auf den Versicherungsschutz der gesetzlichen Pflegeversicherung ausruhen. Vielmehr müssen sie selbst zu vorsorglichen Maßnahmen greifen, damit ihnen im Notfall eine angemessene Summe zum Leben bleibt.