Unfallversicherung - Wann ist es tatsächlich ein Unfall
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Veröffentlicht: 09.06.2015
Aktualisiert: 17.12.2020

Unfall – wann er tatsächlich zum Versicherungsfall wird

Das „Achtung Rutschgefahr“-Schild wird übersehen, wir rutschen aus und fügen uns im schlimmsten Fall bleibende Verletzungen zu. Dabei wird oftmals angenommen, dass die gesetzliche Unfallversicherung für den entstandenen Schaden aufkommt. Doch längst nicht jeder Unfall wird auch von der gesetzlichen Unfallversicherung übernommen. Wir zeigen auf, wo die Grenzen der gesetzlichen Unfallversicherung bestehen. Anschließend erläutern wir diese Grenzen mit einigen Fallbeispielen und erklären, worauf bei der Inanspruchnahme einer Versicherungsleistung zu achten ist.

Bestehende Wissenslücken bei der privaten Unfallversicherung

Unfallversicherung- Wissenslücken

Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov ist jeder zweite Deutsche überfragt, wenn es darum geht, in welchen Fällen die private Unfallversicherung (Unfallversicherung im Test) einspringt. Dabei fiele ihnen besonders die Abgrenzung zur gesetzlichen Unfallversicherung sehr schwer. Im Zuge der Untersuchung hat mehr als die Hälfte der Befragten Leistungsmerkmale wie Arbeitsunfälle und Wegeunfälle richtigerweise der gesetzlichen Unfallversicherung zuordnen können. Folgte daraufhin jedoch die Frage, wann eine private Unfallversicherung in Leistung trete, wussten 49 Prozent der Befragten nicht Bescheid.

Gesetzlicher Versicherungsschutz reicht nicht aus

Zahlreichen Menschen ist nicht bewusst, ab welchem Punkt die gesetzliche Unfallversicherung nicht mehr greift und eine private Absicherung (Altersvorsorge im Test)  vonnöten sei. Somit geht jeder Fünfte davon aus, dass der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung ausreicht, wenn sich Unfälle innerhalb der eigenen vier Wände ereignen. Diese Annahme kann im Zweifelsfall verheerende Folgen nach sich ziehen, sodass der Abschluss einer privaten Unfallversicherung in den Vordergrund rückt.

Voraussetzung ist ein Unfall

Unfallversicherung- Voraussetzung

Während die gesetzliche Unfallversicherung sich lediglich auf die Absicherung von Unfällen im Arbeitsleben konzentriert, geht die private Unfallversicherung einen Schritt weiter und macht Unfälle in der Freizeit zum Versicherungsgegenstand. Hierbei wird ihr Versicherungsschutz nicht nur bei dauerhaft körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen aktiv, sondern auch wenn sich Todesunfälle oder Unfälle mit nicht bleibenden Schäden ereignen. Kommt es aber zu einer Beeinträchtigung ohne Unfallbezug, kann sich der Versicherungsnehmer darauf einstellen, dass ihm keine Unfallleistung zusteht.

Verschiedene Möglichkeiten des Leistungsanspruchs

Im Hinblick auf die Leistungsgewähr stehen dem Versicherungsnehmer unterschiedliche Optionen zur Verfügung. Wird beispielsweise eine Invaliditätsleistung vertraglich vereinbart, hat der Versicherungsnehmer Anspruch auf Ausschüttung einer Einmalzahlung, die von jeweiligen Grad der Invalidität abhängt. Eine Einmalzahlung kann wichtig sein, um einen Hausumbau zu finanzieren.
Ist der Versicherungsnehmer nach einem Unfall beispielsweise nicht mehr im Stand seinen Daumen zu bewegen, erhält er gemäß Gliedertaxe 20 Prozent der Versicherungssumme ausgezahlt. Beläuft sich die Versicherungssumme auf 200.000 Euro würden ihm 40.000 Euro zustehen. Sofern der Versicherungsnehmer nach dem Unfall mit schweren oder gar dauerhaften Beeinträchtigungen zu kämpfen hat, besteht ein Anspruch auf Auszahlung einer lebenslangen Unfallrente.

TIPP: Optionale Versicherungsleistungen

Darüber hinaus stehen dem Versicherungsnehmer  zahlreiche andere Formen der Versicherungsleistungen zur Verfügung:

  • Todesfallleistung
  • Tagegeld
  • Krankenhaustagegeld
  • Übergangsleistung
  • Bergungskosten
  • kosmetische Operationen

Kein Fall für die Unfallversicherung

Die gesetzliche Unfallversicherung hat die Eigenschaft, dass sie beim vorliegenden Arbeitsunfall jegliche Angaben wie Unfallort und Zeit genauestens unter die Lupe nimmt und analysiert, ob diese tatsächlich im Zusammenhang mit dem Arbeitsweg stehen.

Dabei definieren sie einen Unfall wie folgt:

Ein Unfall liegt vor, wenn ein plötzlich von außen wirkendes Ereignis unfreiwillige körperliche Schäden hervorruft.

Wie differenziert die gesetzliche Unfallversicherung vorliegende Unfallereignisse deutet, demonstrieren die nachfolgenden Fallbeispiele:

Tödlicher Speerwurf

Unfallversicherung Sozialgericht

Ein 74-jähriger Leichtathletik-Kampfrichter war im August 2012 in Düsseldorf von einem Speerwurf tödlich verunglückt. Seine Ehefrau klagte die Versicherungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ein. Das Sozialgericht Düsseldorf wies die Klage ab. Die Ablehnung begründete das Gericht damit, dass der Kampfrichter nicht mit einem Beschäftigten gleichzustellen ist, da seine Aktivität ehrenamtlicher und freiwilliger Natur war. Vielmehr sahen sie in dem Ereignis einen freizeitlichen Charakter, als dass es als Arbeitsunfall gewertet werden könnte.

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Mittagspause

Es ist 13.00 Uhr. Zeit, sich eine Mittagspause zu gönnen. Diesen Umstand bewertet die gesetzliche Unfallversicherung sehr differenziert. Begibt man sich auf den direkten Weg in die Kantine bzw. Restaurant unterliegt der Weg dem gesetzlichen Unfallschutz.

ACHTUNG!

Mit dem Betreten der Kantine erlischt der gesetzliche Versicherungsschutz, da der Aufenthalt im Restaurant als Freizeitvergnügen gewertet wird. Eine ähnliche Sichtweise begegnet uns, wenn wir die Pause dazu nutzen, um einige Einkäufe zu tätigen. Entscheidet man sich dazu, seine Mittagspause für einen Spaziergang zu nutzen, ist ein etwaiger Unfall auch nicht der Zuständigkeit der gesetzlichen Unfallversicherung zuzuschreiben.

Der wartende Taxifahrer

Ein Taxifahrer wartete auf einen verspäteten Fahrgast. Diese Zeit nutzte er dazu, sich im Café einen Kaffee zu bestellen. Jedoch verletzte er sich. Nach allgemeiner Rechtsprechung des Landessozialgerichts ist die gesetzliche Unfallversicherung dazu verpflichtet, die Verletzungskosten zu erstatten. Denn die Wartezeit war der beruflichen Tätigkeit, nicht aber einem Freizeitvergnügen zuzuordnen.

Worauf ist beim Antrag auf Unfallleistung zu achten?

Unfallversicherung - worauf ist zu achten

Diese Beispiele zeigen, wie wichtig es sein kann, sich privat abzusichern. Doch auch bei der privaten Unfallversicherung können im Hinblick auf den Leistungsanspruch keine Wunder erwartet werden. Dabei muss man sich in erster Linie von dem Gedanken verabschieden, dass die Unfallversicherung bei kleinen Wehwehchen ihre Leistungsflügel ausstreckt. Ausschlaggebend für den Anspruch der Versicherungsleistung ist eine bestehende Invalidität. Doch auch hier ist keine sofortige Erstattung zu erwarten.

Keine unmittelbare Heilung in Sicht

Beim Antrag auf Invaliditätsleistung werden Unfallversicherer erst dann aktiv, wenn innerhalb der nächsten drei Jahre nach dem Unfall keine Heilung erwartet werden kann. Unabhängig davon werden auch nur jene Versicherungsleistungen erstattet, die auch vertraglich vereinbart wurden.

Leistungsanspruch nur gemäß Unfalldefinition

Demgegenüber sieht sich der Versicherer in der Leistungspflicht, wenn sich ein Unfall gemäß seiner Unfalldefinition ereignet hat. Neben dem Unfallhergang per Definition spielen auch die Unfalldetails eine zentrale Rolle. Vor allem Begrifflichkeiten wie „äußeres Ereignis“ und „plötzlich“ werden eine markante Bedeutung zugeschrieben. Unfälle durch äußere Einwirkung sind nur abgesichert, wenn sie auf erhöhte Kraftanstrengung zurückzuführen ist, wie beispielsweise Sprint oder Bergsteigen.

RECHENBEISPIEL:  Versicherungsleistung bei bestehender Vorinvalidität

Bestanden beim Abschluss einer privaten Unfallversicherung bereits Beeinträchtigungen bestimmter Körperteile oder Sinnesorgane, ist von Vorinvalidität die Rede. Menschen, die eine solche Vorinvalidität haben und  denen aufgrund bestehender Vorerkrankungen der Zugang zur Berufsunfähigkeitsversicherung (Berufsunfähigkeitsversicherung im Test) verwehrt wurde, können eine Unfallversicherung abschließen. Wird dem Versicherungsnehmer eine weitere Invalidität attestiert, mindert sich die Versicherungssumme um den Grad der Vorinvalidität.

Ausgangssituation:
Ein leidenschaftlicher Kletterer verliert nach einem Unfall in den Bergen seinen rechten Fuß. Bei einem früheren Unfall hatte er bereits seinen großen Zeh verloren.

Versicherungssumme:  100.000 Euro
Verlust des rechten Fußes: 40 %  40.000 Euro
Vorschädigung durch den rechten großen Zeh:   5 %    -5.000 Euro
Invaliditätsgrad: 35 %  35.000 Euro

RECHENBEISPIEL: Versicherungsleistung bei Mitwirkung einer Vorinvalidität

Manchmal kommen Unfälle durch bereits bestehende Einschränkungen zustande. Sofern bereits bestehende Erkrankungen an dem Unfall mitgewirkt haben, reduzieren sich der Invaliditätsgrad und alle anderen Leistungsarten um den Krankheitsanteil:

Ausgangssituation:
Bei einer Skitour verliert ein passionierter Fahrer, bei einem Sturz in die Schlucht  seinen rechten Fuß. Im Zuge der Untersuchung stellt sich heraus, dass ein früherer Kreuzbandriss Mitschuld an dem Unfall hatte. Daher wird dem Skifahrer ein Mitwirkungsanteil von 30 Prozent zugeschrieben.

Versicherungssumme:   100.000 Euro
Mitwirkung durch Kreuzbandriss: 30 %
Verlust des rechten Fußes: 40 %  40.000 Euro
Mitwirkung durch Kreuzbandriss: 12 % (40%-30%)  -12.000 Euro
Invaliditätsgrad: 28 % (40%-12%)   28.000 Euro

Einige Versicherer verzichten in ihren Bedingungen auf den sogenannten Mitwirkungsanteil – lassen Sie sich ausführlich dazu beraten.

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Fazit

Geht es um die Inanspruchnahme einer Versicherungsleistung nach einem Unfall, sollte stets bedacht werden, dass diese nur gewährt wird, wenn eine dauerhafte Invalidität des Versicherungsnehmers hervorgerufen wurde. Ferner ist darauf zu achten, dass die Leistung nur erstattet wird, wenn sich ein Unfall per Definition ereignet hat. Vor dem Hintergrund ist es von entscheidender Bedeutung, den Unfallhergang im Detail zu beschreiben, damit ein Leistungsanspruch wirksam werden kann.